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Wölfe im Schwarzwald

Position des Schwarzwaldvereins

Vorbemerkung: Wölfe in der Kulturlandschaft

Aufgrund der anhaltenden Ausbreitungstendenz der europäischen Wolfspopulationen ist in absehbarer Zeit mit einer Besiedelung Baden-Württembergs und des Schwarzwalds zu rechnen. Wölfe sind nicht auf „Wildnis“ als Lebensraum angewiesen, sondern in der Lage, sich an die Gegebenheiten heutiger Kulturlandschaften und auch besiedelter Räume anzupassen. Das Verhalten und die Anforderungen des zurückkehrenden Beutegreifers an Lebensraum und Nahrung führen zwangsläufig zu Konflikten mit den Nutzungsansprüchen des Menschen. Auch die Belange des Schwarzwaldvereins als Wander- und anerkannter Naturschutzverband sind von der Ausbreitung des Wolfes berührt:

- Wölfe stellen die Landwirtschaft und insbesondere die Halter von Weidetieren vor neue und evtl. auch nicht zu bewältigende Herausforderungen. In der Folge ist für Attraktivität und Biodiversität der Schwarzwälder Kulturlandschaft zumindest örtlich durch Aufgabe der Weidetierhaltung mit gravierenden Verände-
rungen zu rechnen.
- Herdenschutz und als wolfssicher geltende Elektrozäune schränken das Betreten der freien Landschaft ein. Das hat erhebliche Auswirkungen auf das Wanderwegenetz, und auf damit auch auf fast alle naturgebundenen Erholungs- und Sportaktivitäten.
- Die mit „hochgerüsteten“ Zäunen ausgestatteten oder mit Herdenschutzhunden überwachten Weidenstellen für die sonstigen Wildtiere unüberwindbare Hindernisse und massive Bewegungseinschränkungen in der freien Landschaft dar.

Vor diesem Hintergrund hat der Hauptvorstand des Schwarzwaldvereins am 4. Mai 2019 in Konstanz die nachfolgenden Positionen und Forderungen beschlossen.

1. Weidewirtschaft darf durch Wölfe nicht gefährdet werden
Eine extensive Grünland- und Weidewirtschaft ist das struktur- und landschaftsprägende Merkmal des ländlichen Raumes im gesamten Schwarzwald. Ohne eine Beweidung ist die Offenhaltung der Schwarzwälder Kulturlandschaft nicht möglich, sie kann nur mit Weidetieren in ihrem jetzigen Zustand gesichert werden. Die gemähten Grünlandflächen wiederum dienen zur Erzeugung des Winterfutters für das Vieh. Die Rückkehr von Wölfen wird für die als besonders tierwohlgerecht anerkannte Weidetierhaltung nach bisherigen Erfahrungen zu Dauerkonflikten führen.

Vor allem in Steillagen stoßen Präventionsmaßnahmen zum Herdenschutz rasch an Grenzen. Sie sind nicht überall umsetzbar und in vielen Fällen geländebedingt unwirksam:
- Großflächige Zäunungen in schwierigem Gelände sind arbeitswirtschaftlich oft nicht durchführbar und finanziell sehr aufwändig, zumal bisher nur die Materialkosten bezuschusst werden;
- Topografie und Bodenbeschaffenheit (Steillagen, steiniger und felsiger Untergrund, Wasserläufe) verhindern einen Zaunbau mit vertretbarem Aufwand;
- Als wolfssicher geltende und als Präventionsmaßnahme anerkannte Elektrozäune bedürfen einer intensiven laufenden Betreuung (Überwachung, Ausmähen, Reparatur). Viele Betriebe im Schwarzwald werden im Nebenerwerb geführt und können einen noch höheren zeitlichen Arbeitsaufwand, wie er zum Schutz vor Wolfsangriffen erforderlich wäre, nicht leisten.
- Herdenschutzhunde sind in der Anschaffung und im Unterhalt sehr teuer. Begegnungen mit Menschen sind je nach Verhalten nicht ungefährlich. Frei laufende Herdenschutzhunde sind für viele Menschen Angst einflößend und wirken schädlich für den Ruf der Wanderdestination Schwarzwald.
- Bei Wolfsangriffen auf eingezäunte Weidetiere kann es zu großen Verlusten kommen, da diese nicht fliehen können. Eine zaunlose Haltung scheidet wegen des unvertretbaren Aufwands in den meisten Fällen aus, da für das Hüten der Herden Hirten eingesetzt werden müssten.

Die Bewirtschaftung der Schwarzwälder Kulturlandschaft ist seit langem in einer wirtschaftlich prekären Situation und nur mit öffentlicher Förderung möglich. Ein mit der Wolfsrückkehr begründeter Ausstieg von Landwirten aus der Weidetierhaltung gefährdet die wertvolle Kulturlandschaft. Der für den Schwarzwald typische Wechsel von Wald und Offenland und die damit einhergehende Artenvielfalt drohen bei einem Rückgang der Weidewirtschaft verloren zu gehen. Waldsukzession und Aufforstungen beeinträchtigen die Attraktivität der Erholungslandschaft für Einheimische wie für Touristen. Die nutzungsbedingte Biodiversität und die Erlebnisqualität weidegeprägter Ökosysteme darf nicht zugunsten einer einzelnen zuwandernden Art gefährdet werden. In einer von Weidewirtschaft geprägten Kulturlandschaft wie dem Schwarzwald muss die Weidetierhaltung Vorrang vor dem Wolf haben.

2. Haftung, Prävention und Entschädigung erfordern klare Regelungen
Präventionsmaßnahmen zum Herdenschutz müssen nicht nur nach dem Materialeinsatz, sondern auch nach dem Zeitaufwand vergütet werden, auch für den laufenden Unterhalt. Am Ertragswert orientierte Entschädigungen für gerissene Nutztiere müssen auch außerhalb ausgewiesener Wolfsgebiete bezahlt werden. Landwirte sind überall von Haftungsansprüchen zu befreien, sollten Weidetiere infolge eines Wolfsangriffs ausbrechen und Verkehrsunfälle oder andere Schadensereignisse verursachen.

3. Auswirkungen auf Wandern und Tourismus durch den Wolf
Der Tourismus im Schwarzwald lebt sehr stark von Wanderern und Natursportlern, die im Wald, im freien Gelände und in Weidegebieten unterwegs sind. Wolfssicher eingezäunte Weideflächen mit oder ohne Herdenschutzhunde führen zu unüberwindbaren Barrieren und zu einer Zerschneidung der freien Landschaft. Diese
Flächen können von Wanderern und Radfahrern nicht mehr ohne Hindernis durchquert werden. Die geforderten Präventionsmaßnahmen, darunter auch die ständige Stromführung sämtlicher Zäune in Wolfsgebieten, sind nicht vereinbar mit einem naturnahen Tourismus. Viele Wanderwege in Weidegebieten müssten verlegt werden, weg von Weidfeldern und Höfen. Es ist zu befürchten, dass die Wanderinfrastruktur großräumig beeinträchtigt wird, mit der Folge erheblicher Einbußen für die touristische Wertschöpfung.

4. Geeignete Lebensräume finden
Die Gesellschaft ist aufgefordert, geeignete Lebensräume für Wölfe in Deutschland, ggf. auch in Verbindung mit europäischen Nachbarländern zu finden. Die Suche muss bezogen auf Großlandschaften erfolgen. Die Ebene einzelner Bundesländer ist aufgrund von Wanderungsbewegungen und Territorien-Größen europäischer Wölfe zu klein. Kriterien für eine an der Tierart Wolf orientierte ökologische Raumplanung sind die Habitat-Ansprüche des Wolfes (Nahrung, Deckung, Rückzugsräume) in Verbindung mit den Nutzungsansprüchen der Menschen in der Kulturlandschaft und im Siedlungsgebiet.

5. Schutzstatus des Wolfes überprüfen
Wölfe sind europaweit in Ausbreitung; bisher angenommene Populationsgrenzen weichen einem zunehmenden genetischen Austausch. Die Politik ist aufgerufen, den Schutzstatus des Wolfes in Europa und insbesondere in Deutschland zu überprüfen. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Ausbreitung wird der für eine Entlassung aus dem strengen Schutzstatus (Anhang IV FFH) vorausgesetzte „günstige Erhaltungszustand“ europäischer Wolfspopulationen in Deutschland in Kürze erreicht sein. Damit sollte auch die Möglichkeit eröffnet werden, in den Wolfsbestand steuernd bzw. regulierend einzugreifen.

6. Wolf ins Jagdrecht übernehmen
Wölfe aus bejagten Populationen zeigen größere Scheu vor dem Menschen. Entsprechende Lerneffekte lassen erwarten, dass sich Wölfe dementsprechend eher von Siedlungen und auch Weidetieren fernhalten. Baden-Württemberg soll dem Beispiel Sachsens folgen und den Wolf in das Jagd- und Wildtiermanagement-
Gesetz (JWMG) aufnehmen. Entsprechend dem geltenden Schutzstatus nach EU-Recht erfolgt die Aufnahme in die Kategorie „Schutzmanagement“, gem. § 7 Abs. 4 JWMG (vgl. Auerhuhn). Nächster Schritt ist die Überführung in das „Nutzungs-Management“, vorgesehen für „Arten, deren Regulation zum Schutz anderer Rechtsgüter geeignet oder erforderlich ist“. Genau diese gesetzliche Definition trifft für Kulturlandschaften zu, die von der Weidetierhaltung abhängig sind. In Weidegebieten sind die von der FFH-Richtlinie eingeräumten Möglichkeiten einer „Schutzjagd“ auszunutzen.

Ein Bejagungsmodell könnte sich am Beispiel der in vielen Bundesländern einschließlich Baden-Württembergs üblichen Rotwild-Gebiete orientieren. In definierten Wolfsgebieten werden Wölfe wie andere Wildarten bejagt. Dazu gehören Jagd- und Schonzeiten, konsequenter Muttertierschutz und am Zuwachs orientierte Abschussquoten. Jagdliche Eingriffe schöpfen den Zuwachs ab, um den Druck auf Gebiete zu verringern, in denen der Wolf unerwünscht ist. In solchen Wolfsgebieten gibt es Schutz- und Ruhezonen mit ganzjähriger Jagdruhe, beispielsweise in Nationalparks oder Truppenübungsplätzen. Außerhalb ausgewiesener Wolfsgebiete sind wandernde Einzeltiere während der Jagdzeit zum Abschuss freigegeben.

Die skizzierte Vorgehensweise in Verbindung mit jagdlicher Regulierung leistet einen Beitrag zur Erhaltung europäischer Wolfspopulationen und gewährleistet im Schwarzwald Gebiete, in denen die Weidetierhaltung Vorrang gegenüber einer dauerhaften Wolfsbesiedlung hat.
Mai 2019