Als anerkannter Naturschutzverband engagiert sich der Schwarzwaldverein für eine nachhaltige Entwicklung der Natur- und Kulturlandschaft des Schwarzwalds. Er sieht den Schutz des Klimas als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Häufung von Extremwetterereignissen in den letzten Jahren mit ansteigenden Temperaturen und rückläufigen Niederschlägen beweist, dass der Klimawandel im Schwarzwald inzwischen in allen Höhenlagen angekommen ist. Deshalb tritt der Schwarzwaldverein für eine Energieversorgung aus regenerativen Quellen ein. Auch aus Gründen der Versorgungssicherheit hat dazu jede Region ihren Beitrag zu leisten, das gilt auch für den Schwarzwald. Zusammen mit der Hoch- und Oberrhein-Region verfügt der Schwarzwald über erhebliche Potenziale für die Nutzung regenerativer Energien. Dazu zählen Wind- und Sonnenenergie, Pumpspeicher, nachwachsende Rohstoffe (in erster Linie Holz) und Erdwärme.
Der Energiebedarf des Menschen hat die Landschaft des Schwarzwalds schon in historischer Zeit wiederholt verändert. Auch die Energiewende wird zu einem erneuten Wandel der Kulturlandschaft führen. Die für die Nutzung erneuerbarer Energien benötigten Anlagen verändern das Blickfeld und werden zwangsläufig zu einer anderen Wahrnehmung vertrauter Landschaften führen.
Der Schwarzwald und seine Randgebiete sind gewachsene Kulturlandschaften von europäischem Rang. Deshalb ist der einmalige Charakter der Schwarzwaldlandschaft in Verbindung mit ihrer hohen Bedeutung für die Bio-diversität beim Ausbau regenerativer Energien angemessen zu berücksichtigen. Konflikte, die zwischen Belangen des Klimaschutzes, des Natur- und Landschaftsschutzes und Ansprüchen an die Erholungsnutzung auftreten können, erfordern örtliche oder regionale Lösungsansätze. Für den Schwarzwaldverein steht im Abwägungsprozess das Gebot der Erhaltung landschaftlicher Vielfalt, Eigenart und Schönheit gleichrangig neben den Zielen des Biotop- und Artenschutzes.
Der Schwarzwaldverein vertritt als Beitrag für das Gelingen der Energiewende die nachfolgenden Positionen:
1. Energie-Effizienz und Einspar-Potenziale
Die Einsparung von Energie ist unabdingbare Voraussetzung, wenn die Energiewende und die Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs gelingen sollen.
Möglichkeiten der Energieeinsparung müssen deshalb am Anfang aller Überlegungen zur künftigen Energieversorgung stehen, unabhängig davon welche Energiequelle im Fokus der Betrachtung steht. Das bedeutet für jeden Einzelnen und auch gesamtgesellschaftlich, eigene Ansprüche beim Energieverbrauch zurück zu nehmen, und technische und organisatorische Möglichkeiten für einen höheren Ausnutzungsgrad eingesetzter Primärenergie besser als bisher zu nutzen. Die krisenbedingt gestiegenen Energiepreise sollten deshalb auch als Chance für einen effizienteren Energieeinsatz und für einen maßvolleren und umweltschonenderen Lebensstil begriffen werden. Hier kann und soll der Schwarzwaldverein mit seinen Ortsvereinen, aber auch jedes einzelne Mitglied Vorbild sein, und meinungsbildend eine Bewusstseinsveränderung vorantreiben.

2. Mobilität
Vor allem im Verkehrssektor zeichnet sich bisher immer noch keine Trendwende ab. Motorisierter Individualverkehr für Berufs- und Freizeitzwecke verursacht zusammen mit zunehmenden LKW-Transporten nach wie vor steigende Emissionen. Eine Energiewende im Verkehrssektor ist nur durch ein verändertes Mobilitätsverhalten in Verbindung mit einem deutlich verbesserten ÖPNV-Angebot zu erreichen.
Der Schwarzwaldverein setzt sich für eine pünktlichere und zuverlässige Bahn ein, für kürzere Takte im Nah- und Fernverkehr und für die Verlagerung von Transportgütern von der Straße auf die Schiene. Im ländlichen Raum fordert er einen Ausbau der Buslinien und die Erprobung von Carsharing-Modellen, und in städtisch ge-prägten Verdichtungsräumen eine Verbesserung der Fahrrad- und Fußgänger-Infrastruktur.
Preisgünstige Monatsfahrkarten im Regionalverkehr ermöglichen eine deutliche Reduzierung des berufs- und freizeitbedingten Individualverkehrs. Bei fast allen Wander- und Freizeitaktivitäten hinterlässt die Anfahrt mit PKW den anteilig höchsten „ökologischen Fußabdruck“. Mitglieder und Ortsvereine sind aufgerufen, bestehende ÖPNV-Angebote (vielfach besser als ihr Ruf) für Wanderaktivitäten in deutlich höherem Maße zu nutzen.
Auf Autobahnen und Bundesstraßen befürwortet der Schwarzwaldverein Geschwindigkeitsbegrenzungen, von denen tatsächliche Einspareffekte ausgehen.

3. Bündelung von Energieversorgungsanlagen und Infrastruktur
Für den Schwarzwaldverein haben die Verhinderung von Energieverschwendung, bessere Anreize zu einem sparsameren Energieeinsatz und die Steigerung der Effizienz vorhandener Versorgungseinrichtungen Vorrang vor weiterem Landschaftsverbrauch. Der Schwarzwaldverein fordert daher, neue Energieversorgungsanlagen vorrangig in bereits vorbelasteten Gebieten zu errichten, und dafür vorhandene, geplante oder im Bau befindliche Infrastruktureinrichtungen konsequent zu nutzen. Gebäudeintegrierte Lösungen im innerstädtischen Bereich sind gegenüber neuen Anlagen im Außenbereich grundsätzlich zu bevorzugen. Verbrauchernahe Energieerzeugung spart Leitungs- und Transportwege. Beim Ausbau des Stromnetzes ist vorrangig zu prüfen, wie vorhandene Stromtrassen ertüchtigt oder effektiver genutzt werden können. Neue Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung müssen im Einklang mit dem dafür benötigten Ausbau von Netzen und Speichern stehen.

4. CO2-Speicher WALD und HOLZ
Die Wälder des Schwarzwalds sind ein zentrales Landschaftselement mit hoher Bedeutung für die Biodiversität. Zugleich sind sie ein für den Klimaschutz unerlässlicher Kohlenstoff-Speicher. Auch unter veränderten Klimabedingungen werden sich im Schwarzwald Mischwälder aus standortgerechten und klimaangepassten Baumarten behaupten und ihre Funktionen erfüllen. Zugleich ist Holz in der Region der wichtigste nachwachsende Rohstoff. Aktive Waldbewirtschaftung und nachhaltige Holznutzung leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Kohlenstoff-Speicherung. Gebäude aus Holz und langlebige Holzprodukte speichern der Atmosphäre entzogenes Kohlendioxid über Jahrzehnte und Jahrhunderte. Holz kann Beton, Stahl und Aluminium im Bau teilweise ersetzen, die in der Produktion sehr energieaufwändig sind. Ohne verstärkten Holzeinsatz ist eine „CO2- Wende“ im Bausektor nicht machbar. Der Schwarzwaldverein befürwortet daher ausdrücklich alle Initiativen zur Förderung des Einsatzes heimischer Hölzer für private, öffentliche und gewerbliche Bauten.
Der stofflichen Verwertung ist im Interesse des Klimaschutzes und einer höheren Wertschöpfung stets Vorrang einzuräumen. Die energetische Holznutzung soll sich durch den Einsatz von Nebenprodukten oder auch Altholz der stofflichen Verwertung anschließen.
Nachhaltig bewirtschaftete Wälder sind nicht genutzten Waldflächen in Puncto CO2-Bindung und Kohlen-stoffspeicherung überlegen. Holz aus heimischen Wäldern ist Importen aus dem Ausland mit langen Transportwegen und teilweise zweifelhaften Produktionsbedingungen vorzuziehen. Die Stilllegung produktiver Waldflä-chen muss im Interesse des Klimaschutzes unterbleiben.

5. Energiequelle WIND
Ohne stärkere Nutzung der Windenergie sind die Ziele der Energiewende nicht zu erreichen. Die bundesgesetzliche Vorgabe, in Baden-Württemberg 1,8 % der Landesfläche für Windenergie bereitzustellen, erfordert die Errichtung von Windkraftanlagen auch in windhöffigen Lagen des Schwarzwalds. Auch für Windkraftanlagen müssen Kriterien moderner Nachhaltigkeit gelten. Das bedeutet, dass der Nutzen einer Anlage auch für zukünftige Generationen höher sein muss als der Herstellungsaufwand und nachteilige Auswirkungen auf Natur und Landschaft. Die erwarteten Windenergieerträge müssen in jedem Einzelfall in einem angemessenen Verhältnis zu nicht vermeidbaren Eingriffen stehen.
Der Schwarzwaldverein fordert, die von den Regionalverbänden auszuweisenden Vorranggebiete für Windkraft großräumig zu planen. Dabei ist eine vorhandene oder auch nicht vorhandene Erschließung besonders zu berücksichtigen. Zerschneidungen zusammenhängender Räume durch Straßen- und Wegebau oder massive Reliefveränderungen durch Geländemodellierungen in bisher unerschlossenen Kammlagen lehnt der Schwarzwaldverein ab. Dem „Repowering“ bestehender Windkraftanlagen ist gegenüber Neubauten in bisher unberührten Gebieten Vorrang einzuräumen.
Der Schwarzwaldverein fordert weiterhin, neben dem Biotop- und Artenschutz auch das Schutzgut landschaftlicher Vielfalt, Eigenart und Schönheit (§1 Bundesnaturschutzgesetz) in den Abwägungsprozess einzubeziehen. Dazu sind anerkannte wissenschaftliche Verfahren der Landschaftsbildbewertung anzuwenden, die objektivierte und reproduzierbare Ergebnisse liefern. Wo eine ausgeprägte Biodiversität mit einem hoch bewerteten Landschaftsbild zusammentrifft, sollten keine Windkraftanlagen geplant oder vorhandene Planungen zurückgestellt werden.
Im Interesse der Akzeptanz fordert der Schwarzwaldverein, dass Pachteinnahmen für WKA-Standorte den Anwohnern in einem zu definierenden Nahbereich und nicht nur den jeweiligen Grundeigentümern zugutekommen. Anstelle anonymer Investoren sind „Bürgerwindräder“ mit örtlichen Beteiligungsmöglichkeiten zu bevorzugen, damit möglichst hohe Anteile der Wertschöpfung in der Region verbleiben.

6. Energiequelle SONNE: Photovoltaik und Solarthermie
Solarenergie hat bei Wirtschaftlichkeit und Effizienz einen hohen technischen Standard erreicht. Solartechnik kann Strom und Wärme dezentral, gebäudeintegriert und damit verbrauchernah erzeugen. Für Photovoltaik und Solarthermie besteht ein erhebliches und bisher vernachlässigtes Potenzial auf Deponieflächen, Industrie- und Gleisbrachen, Park- und Rastplätzen sowie Dächern, vor allem in Gewerbegebieten. Gleiches gilt für Lärmschutzeinrichtungen und Böschungen längs Straßen, Autobahnen und Bahnlinien. Der Schwarzwaldverein tritt ausdrücklich dafür ein, auch stark frequentierte Wander- und Wintersportparkplätze in sonnenexponierten Lagen mit Photovoltaikanlagen und Ladestationen für Elektrofahrzeuge auszurüsten.
Freiflächen-Photovoltaik- und Solarthermieanlagen sollen bevorzugt dort errichtet werden, wo sie nicht mit landwirtschlich genutzten Flächen konkurrieren. Der Einsatz von Agriphotovoltaik-Systemen soll überall dort erleichtert werden, wo Synergieeffekte für das Wachstum von Nutzpflanzen zu erwarten sind.
7. Energiequelle WÄRME
Wärmeaustausch über Wärmepumpen kann dezentral eingesetzt werden und gerät mit Zielen des Natur- und Landschaftsschutzes kaum in Konflikt. Technisch möglich, ausbaufähig und förderwürdig ist die Nutzung industrieller Abwärme, der Wärmeaustausch von Abwasser, Flusswasser und Grundwasser, der Einsatz von Luft-Wärmepumpen und die Nutzung der Erdwärme.
In der Rheinebene und am Schwarzwald-Westrand besteht aufgrund günstiger geologischer Voraussetzungen für die Tiefen-Geothermie die Chance für eine emissionsfreie Strom- und Wärmeversorgung in großem Stil. Geothermie-Projekte mit Tiefbohrungen sind zu befürworten, wenn Risiken und Rückschläge wie in der Vergan-genheit (Erdbeben, Quellungen, Grundwasser-Beeinträchtigung) durch eine weiterentwickelte Technik ausgeschlossen werden können.

8. Energiequelle WASSER, Pumpspeicher
Die Potenziale der Wasserkraft sind in Baden-Württemberg und auch im Schwarzwald weitgehend ausgeschöpft. Zusätzliche Anlagen führen in der Mehrzahl der Fälle zu nicht verhältnismäßigen Eingriffen in die Gewässer. Auch die vielerorts rückläufige Wasserführung von Bächen und Flüssen in den Sommermonaten setzt einer Nutzung Grenzen. Trotzdem befürwortet der Schwarzwaldverein, technische Neuentwicklungen zu erproben, bestehende Kraftwerke zu ertüchtigen und frühere auch kulturgeschichtlich bedeutsame Anlagen zu reaktivieren, wenn damit Verbesserungen der Gewässerökologie verbunden sind. Neue Anlagen sollten sich auf kanalisierte Fluss- und Bachabschnitte begrenzen.
Mit den angestrebten Anteilen von Wind- und Sonnenenergie steigt der Bedarf an Stromspeichern. Aufgrund seiner ausgeprägten Reliefenergie (größte Höhenunterschiede außerhalb des Alpenraums) verfügt der Schwarzwald über ein erhebliches Potenzial für Pumpspeicherwerke. Die dafür erforderlichen Eingriffe in Natur und Landschaft sind vertretbar, wenn ihre Notwendigkeit für Netzstabilität und Versorgungssicherheit belegt ist. Die Erforschung alternativer und insbesondere auch dezentraler Speichertechnologien mit möglichst hohem Wirkungsgrad muss konsequent vorangetrieben werden.

9. Energiequelle BIOMASSE
Im Agrarbereich ist eine weitere Steigerung des Energiesektors kontraproduktiv: Energiepflanzen-Anbau befördert agroindustrielle Produktionsformen und Monokulturen, gerät in Konflikt mit der Artenvielfalt und tritt in Konkurrenz zur Lebensmittelerzeugung. Der Schwarzwaldverein unterstützt daher vorrangig die energetische Verwertung von Mist und Gülle oder auch anderweitig anfallender Rest- und Abfallstoffe. Der Betrieb neuer Biogas-Anlagen darf aus Effizienzgründen nur noch in Verbindung mit einer Nutzung der im Prozess anfallenden Wärme erfolgen.
Bei klarer Priorisierung der stofflichen Verwertung kann auch der nachwachsende Rohstoff Holz als Ersatz fossiler Brennstoffe einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Nutzung von Resthölzern aus der Waldbewirtschaftung ist ohne Zielkonflikte mit anderen ökologischen Belangen (z. B. Nährstoffentzug) nur noch begrenzt steigerungsfähig. Zur direkten Energiegewinnung soll künftig verstärkt Holz und Biomasse aus der Landschaftspflege Verwendung finden.
10. Schluss
Mit diesem Papier appelliert der Vorstand des Schwarzwaldvereins an die Politik, die Verwaltung und die Zivilgesellschaft, den Schutz des Klimas voranzubringen und zugleich mit einer einmaligen Kulturlandschaft verantwortlich umzugehen. Die Positionen des Schwarzwaldvereins setzen eigene Schwerpunkte und stehen gleichzeitig in Übereinstimmung mit der 2020 beschlossenen Position des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg zur Energie- und Klimawende.
Den Mitgliedern und Organen des Schwarzwaldvereins soll diese Positionierung als Impuls für eigenes Handeln und als Orientierungshilfe für örtlich anstehende Entscheidungen dienen.
Der Vorstand des Schwarzwaldvereins hat dieses Positionspapier am 4. Februar 2023 in Hohenwart beschlossen.
Kontakt:
Schwarzwaldverein e. V.
Naturschutzreferat – Peter Lutz
Schlossbergring 15
79098 Freiburg
Telefon 0761 38053-15
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